Abenteuer Hagengebirge

Als Markus auf Facebook von meinem Projekt gelesen hatte, hat es keine drei Minuten gedauert und er war dabei…zwei Tage Hagengebirge mit Option auf den Funtenseetauern.
Das gute an einem frühen Tourenstart ist die leere Straße von Bad Reichenhall an den Königssee, auch wenn ich mich immer wieder frage, warum ich so früh aufstehe. 03:00 Uhr, menschenleerer Parkplatz, Markus ist schon da, Schuhe anziehen, Zeug packen und los gehts.
Das erste Ziel des Tages ist der Schneibstein, den ich gerne vor Sonnenaufgang erreichen möchte.

Es läuft sehr gut und wir sind flott unterwegs. Markus fliegt mit elfengleicher Leichtigkeit den Berg nach oben.
In der Dunkelheit kann sogar die Forststraße Spaß machen, konzentriert sich doch alles auf den kleinen Lichtkegel wenige Meter vor den Füßen.
Vorbei am dunklen Carl-von-Stahl-Haus geht es hinauf auf den Schneibstein. Wir verlassen die Forststraße und von nun werden unsere Schuhe nur noch Trails und wegloses Gelände spüren.

Es ist schon erstaunlich wie schnell man in der Dunkelheit unterwegs ist. Nach knapp zwei Stunden haben wir die 1650 Höhenmeter hinter uns gebracht und stehen auf dem Gipfel des Schneibstein. Zu früh, denn die Sonne lässt noch auf sich warten.

Es ist schon erstaunlich wie lange sich der Sonnenaufgang hinziehen kann und wie kalt es kurz vor den ersten Sonnenstrahlen wird.
Wir vertreten uns etwas die Beine um halbwegs warm zu bleiben und suchen das Plateau nach Steinböcken ab. Lieder finden wir keine, aber wir sind ja noch etwas länger unterwegs und da treffen wir sicherlich noch den ein oder anderen.

So langsam kämpft sich die Sonne nach oben und mit den ersten Sonnenstrahlen machen wir uns auf den Weiterweg.

Ohne Stirnlampe und bei Tageslicht lässt es sich hier oben wesentlich besser laufen. Die Trails sind sehr technisch und immer wieder biegen wir mal etwas nach links oder rechts ab und nehmen eine angrenzende Anhöhe mit.
Auf dem Abstieg zur Windscharte treffen wir dann auch auf den ersten Steinbock, der gerade bei seinem Morgenspaziergang die Aussicht genießt.

Der Watzmann glüht in der aufgehenden Sonne

und links und rechts tauchen immer wieder Steinböcke auf.
An der Windscharte angekommen, beginnt nun der kurze weglose Aufstieg zum Windschartenkopf.

Das ist das schöne und einzigartige am Hagengebirge. Eigentlich gibt es in diesem Teil nur einen markierten Weg vom Schneibstein zur Wasseralm, mit einer Abzweigung auf den Kahlersberg und diversen Zugängen aus dem Tal. Die restlichen Gipfel erreicht man auf verfallen und kaum markierten Steigen und Pfaden, meist weglos…absolut genial.

Weglos geht es weiter, immer entlang der Grenze zwischen Deutschland und Österreich.

Vom Windschartenkopf geht es hinüber zum benachbarten Schlumkopf und dann weiter zum Hochsoienkopf.
Ein Paradies für jeden Trailrunner

und Naturfreund.

Steinböcke gibt es hier natürlich auch und jeder der schon einmal in dieser Gegend unterwegs war, kann diese Tiere sicherlich verstehen und sich denken, warum sie sich hier so wohl fühlen.


Wir steigen weglos vom Hochsoienkopf nach Süden ab unser nächstes Ziel, den Kahlerberg, immer fest im Blick.
Als Aufstieg auf diesen herrlichen Gipfel, der dank seiner Höhe und Lage einen unvergleichlichen Rundumblick gewährt, wählen wir die unbekanntere Nord-Ost-Seite, über die auch die Skitour im Winter führt.
Etwas geröllig, natürlich weglos, aber garantiert einsam und einzigartig geht es nach oben auf den 2350m hohen Gipfel.


Am Gipfel angekommen gibt es natürlich das obligatorische Gipfelfoto. Da außer uns noch niemand hier oben ist, positioniere ich meine Kamera und stelle den Selbstauslöser mit zehn aufeinander folgenden Aufnahmen ein.
Somit kommt man nun in den Genuss, wie wir beinahe das Kreuz zerlegen und Markus kurz davor ist vom kleinen Podest zu stürzen.

Das kommt vom vielen rumalbern, aber wir können auch ganz brav sein.

Als Abstieg wählen wir den Normalweg über den Mauslochsteig hinunter zum Hochgschirr.
Kurz nachdem wir das Gipfelplateau verlassen haben, kommen wir an einen grünen Hang, der sich gerade in der Morgensonne erwärmt.
Dort haben es sich ca. 20 Steinböcke gemütlich gemacht und genießen nun die wärmenden Sonnenstrahlen. Natürlich lassen sie sich durch auf- und absteigende Menschen dabei nicht aus der Ruhe bringen.



Unglaublich diese Tiere.
Am Hochgschirr angekommen steigen wir nicht sofort ab, sondern steigen zuerst auf das Hochlafeld. Etwas unscheinbar liegt dieser flache Gipfel hier oben, bietet aber einen tollen Blick auf die Gotzenalm mit Watzmann,

den Seeleinsee und unsere Route die wir bisher zurückgelegt haben.

Wir steigen wieder zum Hochgschirr ab und machen uns nun an den Downhill durchs Landtal.
Auf 1600m zweigt der Eisenpfad ab und führt weglos Richtung Loskopf und weiter zu den Kragenköpfen.
Eine Option die ich mir offen gehalten habe, aber irgendwie ist hier kein Steig oder Pfad zu erkennen. In der entfernten Wand erkennt man zwar Steigspuren, aber ob das die richtigen sind.
Als Nachtlager ist für heute die Wasseralm vorgesehen, allerdings haben wir nicht reserviert. Das bedeutet, je später wir kommen, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit noch ein freies Bett zu bekommen. Mittlerweile ist es 11:30 Uhr, bis zur Wasseralm werden wir auf direktem Weg noch knappe 60 Minuten benötigen. Wählen wir die weglose Alternative über den Eisenpfad und diverse weitere Gipfel, dann kommen wir wesentlich später an.
Wir beratschlagen uns kurz und entscheiden uns für den direkten Weg zur Wasseralm. Die relativ frühe Ankunft nutzen wir dann noch für einen Abstecher Richtung Teufelshörner, so dass wir morgen früh noch über den Funtenseetauern gehen können.
So machen wir es und stürzen uns nun wieder in den Downhill Richtung Wasseralm.

Eine weitere Alternative wäre der Luxpfad hinter der Landtalalm gewesen, von wo aus es auch wieder weglos über diverse Gipfel geht, aber auch diesen Pfad findet man nicht auf Anhieb…also weiter zur Wasseralm.

An der Wasseralm angekommen, ergattern wir sogar noch zwei der freigewordenen Plätze im Lager. Bett 1 und 2 ist uns…hervorragend.
Kurze Verschnaufpause und dann geht es auch schon weiter Richtung Teufelshörner.
Ziel ist das Kleine Teufelshorn, von wo aus es dann anschließend über den Grat auf das Große Teufelshorn gehen soll.

Der Weg auf das kleine Teufelshorn kommt mir etwas schwieriger vor als auf das Große und er scheint auch nicht so gut markiert zu sein.
Als vor uns ein Gipfel auftaucht denke ich schon, dass wir gleich da sind, aber dann geht es links weiter und der Gipfel entpuppt sich nur als kleine Felsnadel. Mittlerweile sind wir über 12 Stunden unterwegs und haben über 3000 Höhenmeter in den Beinen; der Aufstieg nagt an mir und meinen Oberschenkel sind weich wie Pudding oder hart wie Beton? … keine Ahnung!
Markus lässt sich nichts anmerken und schraubt sich kontinuierlich nach oben…der Typ!

Am Gipfel des Kleinen Teufelshorns angekommen, kurze Bestandsaufnahme. Der Weiterweg über den Grat schaut sportlich aus. Luft unterm Hintern ist vorprogrammiert. Wasser haben wir beide nur noch 0,5l und nachfüllen kann man hier oben…natürlich nicht.

Wir wollen nichts überstrapazieren und müssen auch nicht auf biegen und brechen jeden Gipfel mitnehmen und so beschließen wir wieder abzusteigen.

Die richtige Entscheidung, denn kurz vor der Wasseralm haben wir unsere Wasservorräte aufgebraucht; hätten also bei der Tour über den Grat und den anschließenden Abstieg wesentlich früher kein Wasser mehr gehabt.
An der Wasseralm gönnen wir uns erst einmal Kaffee und Kuchen, bevor am Abend die bekannte Gemüsesuppe mit Wurst wieder für neue Kraft sorgt.

Wir fallen früh ins Bett und nach einer etwas unruhigen Nacht (so wie es halt ist…Krach im Lager…Toilettengang…das Übliche eben) geht es nach einem leckeren Frühstück am nächsten Morgen weiter.

Wir verlasse die Wasseralm und machen uns auf Richtung Funtenseetauern. Nachdem ich von der anderen Seite schon zweimal umgekehrt bin, soll es heute von dieser Seite klappen.

Es geht zunächst Richtung Blaue Lacke, bevor auf 1600m ein Steig nach rechts abzweigt. Von nun an geht es, mal wieder weglos, ohne farbige Markierungen, nur den Steinmandln folgend, immer bergauf. Eine einzigartige Landschaft führt uns durch den Unsünnigen Winkl in die Scharte zwischen Graskopf und Leiterkopf. Wir verlassen das Hagengebirge und betreten das Steinerne Meer.

Wir sind sicher nicht immer auf dem richtigen Weg, aber irgendwie entdecken wir irgendwo immer ein Steinmandl, das uns wieder auf den richtigen Weg führt. Eigentlich sollte der Weg relativ einfach sein, man kann ihn aber auch mit etwas Platten- und Kaminkletterei interessanter gestalten. Geröllfelder sorgen dabei für zusätzliche Abwechslung.

Die Blicke die sich immer wieder auftun sind einzigartig

und ja; hier oben gibt es auch Steinböcke.

Wenn man bedenkt, dass man im Berchtesgadener Land von einer Steinbockpopulation von etwa 80 Tieren ausgeht, dann haben wir jetzt in den letzten 30 Stunden über 1/3 der gesamten Population gesehen.
Nach einem sehr abwechslungsreichen Aufstieg, der stellenweise sehr gutes Orientierungsvermögen erfordert, taucht das Gipfelkreuz des Funtenseetauern auf.

Aller guten Dinge sind drei und nun stehe ich endlich auf diesem fantastischen Gipfel, der vom Tal aus so unglaublich mächtig wirkt und einen geniale Aussicht bietet.



Der Abstieg erfolgt, wie sollte es auch anders sein, weglos.
Um den Grat zu umgehen, geht es durch das Ledererkar nach unten. Im Winter eine Skiabfahrt, im Sommer ein riesiges Geröllfeld mit Geröll in allen Größen. Vom kleinen Steinchen, über den großen Brocken, bis hin zum Kleinwagen.

Es dauert ein wenig, bis wir die richtige Rinne finden, denn ich steige zuerst etwas zu früh ab. Also geht es wieder ein paar Meter nach oben, um einen Felsen herum und dahinter dann etwas flacher nach unten. Zunächst durch Geröll, dann über grasige Steilstufen und schließlich über grüne Wiesen.

Unter dem Stuhlgrabenkogl treffen wir auf den Wanderweg der uns nun sicher und einfach zum Kärlingerhaus bringt.


Nach einer kurzen Stärkung geht es nun an den finalen 1000 Höhenmeter Downhill, durch die Saugasse, nach St. Bartholomä.
Während ich die vergangenen 35 Stunden spüre, dreht Markus noch mal etwas auf und schießt in Trance die Saugasse hinunter. Ich habe noch nie jemanden in der Saugasse so lachen und jubeln gehört.
Die Leute müssen uns für verrückt gehalten haben…womit sie sicher nicht ganz falsch liegen.
Nach 36 Stunden endet die Tour mit einem Sprung in den erfrischenden Königssee.
Anfang September und das Wasser ist noch herrlich warm, oder kommt es mir nur so vor weil ich auf 180 Grad aufgeheizt bin?
Egal, es ist auf jeden Fall einfach herrlich und sorgt für die nötige Abkühlung bevor wir von den Touristenmassen in St. Batholomä, auf dem Boot und vorne an der Seelände verschluckt werden.

Wenn man sich die ganzen Freaks hier anschaut und sich an die letzten 36 Stunden erinnert, an das was man erlebt hat, an einsame Pfade und absolute Ruhe, dann weiß man, dass man alles richtig gemacht hat.

Eine geniale Tour mit unvergesslichen Eindrücken und atemberaubenden Bildern geht zu Ende.
Danke an Markus für die spontane Entscheidung mitzukommen.

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