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Um Punkt 0:00 Uhr am 31.07.2010 beginnt meine Tour: Projekt Königssee – Königssee-Umrundung.
Obwohl ich nur drei Stunden unruhigen Schlaf hinter mir habe, fühle ich mich doch erstaunlich fit und ausgeruht.
Durch den Regen der letzten Tage ist es sehr angenehm.
Auf geht’s Richtung Königssee. Der Weg führt mich zunächst durch Bad Reichenhall, weiter nach Bayerisch Gmain. Durch den Wald geht es hinauf zum Hallthurmer-Pass. Von hier aus folge ich zunächst dem Maximiliansreitweg und dann einem Fußweg nach Bischofswiesen. Es muss gegen 02:40 Uhr gewesen sein, als mir in Bischofswiesen drei Männer entgegen kommen, die wohl gerade von einer Feier kamen. Als sie mich fragen auf welchen Berg ich denn so früh schon gehe, erkläre ich ihnen kurz was ich mir für heute vorgenommen habe. Mit leicht verwirrten und ungläubigen Blicken gehen sie nach kurzer Zeit weiter nach Hause. Für sie ist der Tag um, für mich geht es erst noch richtig los. Nachdem ich Bischofswiesen verlassen habe geht es direkt weiter nach Berchtesgaden. Es ist jetzt 03:17 Uhr und am Bahnhof in Berchtesgaden herrscht gähnende Leere.

Aus Berchtesgaden raus geht es rechts weiter nach Schönau am Königssee. Eine Stunde später, gegen 04:15 Uhr bin ich am Königssee angekommen. Keine Menschenseele weit und breit; welch herrliche Ruhe.
Jetzt beginnt der erste von drei Anstiegen. Es geht hinauf Richtung Grünstein. Unterhalb des Gipfels zweigt der Weg nach rechts ab zur Kühroint-Hütte. Von hier aus sind es nur noch wenige Minuten bis zum Aussichtspunkt Archenkanzel, wo ich um 06:20 Uhr ankomme. Über dem Königssee hängen noch einzelne Wolken und Nebelschwaden.

Nach einer kurzen Pause geht es weiter, über den Rinnkendlsteig, hinab nach St. Bartholomä. Durch den Regen der letzten Tage und den Morgentau ist der Steig stellenweise sehr glatt und man muss genau darauf achten wo man seinen nächsten Tritt platziert. Entlohnt wird man dafür aber mit der einen oder anderen Begegnung die nur die ersten Wanderer des Tages zu Gesicht bekommen; früh morgens wenn noch keine Touristen unterwegs sind.

Nach dem knapp zweistündigen Abstieg komme ich in St. Bartholomä an. Weit hinten am Anfang des Königssees ist das erste Boot des Tages zu sehen, welches die ersten Touristen und Wanderer mitbringt.
Der Weg führt mich weiter entlang des Königssees, hinauf Richtung Funtensee. Der zweite Anstieg des Tages geht zunächst steil durch den Wald, bevor der Weg wieder etwas flacher wird und ich schließlich vor der Saugasse stehe. Die Saugasse ist eine Steilrinne, die mit über 30 Serpentinenkehren 600m Wegstrecke und 300 Höhenmeter überwindet. Da es noch relativ früh ist, habe ich das Glück und kann komplett im Schatten aufsteigen. Viele Wandergruppen sind auf dem Weg vom Kärlingerhaus, die Saugasse hinunter zum Königssee. Nur wenige Minuten vom Kärlingerhaus entfernt zweigt mein Weg nach links ab und führt mich, auf einem mir bis dahin nicht bekannten Teilstück, Richtung Grünsee. Der Weg ist sehr steinig und auch hier merkt man wieder, dass die nassen Steine sehr rutschig sind und man etwas langsamer machen muss. Es ist jetzt 10:15 Uhr und ich frage mich das erste Mal, ob ich noch gut im Zeitplan liege. Da ich mich hier auf einem unbekannten Weg befinde und nicht alle Daten im Kopf habe, lässt sich die Sache gerade sehr schwer einschätzen.

20 Minuten nach dem Grünsee biege ich links ab, Richtung Sagerecksteig. Von hier aus geht es hinunter nach Salet, der letzten Anlegestelle am Königssee. Der Steig ist sehr verwildert und mit vielen Steinen und Wurzeln durchsetzt. Auch hier werde ich durch die hohen Bodenfeuchtigkeit gezwungen langsam zu gehen und genau zu schauen wo ich meinen nächsten Tritt hinsetze.

Kurz vor 13:00 Uhr komme ich in Salet an. Ich gönne mir eine kleine Pause und bin froh mal etwas anderes als Wasser trinken zu können. Von der Strecke betrachtet dürfte ich jetzt etwas mehr als die Hälfte hinter mir haben. Wenn man allerdings bedenkt, dass man ja nicht schneller, sondern eher langsamer wird, könnte es ziemlich knapp werden. Die Versuchung ist sehr groß einfach in eines der vielen Boote einzusteigen und zurück zu fahren. Ich bleibe jedoch eisern und mach mich nun an den letzten Anstieg. Über den Kaunersteig geht es zur Gotzenalm. Kaum beginnt der Steig etwas steiler zu werden machen sich erste Krämpfe in meinen Oberschenkeln bemerkbar – War die Pause zu lang? Hätte ich mich vielleicht mal hinsetzen sollen? War es das gewesen? – die jedoch nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Von nun an gönne ich mir während des Aufstiegs immer mal wieder eine kurze Verschnaufpause. Um 15:00 Uhr komme ich an der Gotzenalm an. Ich liege nun wieder im Zeitplan (oder nicht?) und gönne mir nochmal etwas Leckeres zu trinken. Nach einem kurzen Abstecher zum Aussichtspunkt Feuerpalfen geht es an den Abstieg hinunter zum Königssee.

Mit 4 Stunden ist der Abstieg angeschrieben. Das bedeutet, dass ich gegen 19:30 Uhr unten ankommen würde und dann noch 4 1/2 Stunden Zeit hätte um nach Bad Reichenhall zu kommen. Wenn man überlegt dass ich morgens 4:15 Stunden gebraucht habe, könnte es doch noch einmal eine knappe Angelegenheit werden. Der Weg hinunter zum Königssee führt mich zunächst über eine breite, steile Forststrasse zur Gotzentalalm. Von hier geht es über einen Wanderweg, teilweise bergauf (ich dachte das wäre endlich vorbei), zur Königsbachalm. Da an der Königsbachalm gerade Baumfällarbeiten mit einem Helikopter durchgeführt werden, bin ich gezwungen eine 15minütige Pause einzulegen, bevor der Weg wieder freigegeben wird. Alternativ könnte ich auch weiter Richtung Jennerbahn-Mittelstation, aber die Waldarbeiter versichern mir, dass ich in 15 Minuten wieder weiter kann. Also gönne ich mir noch mal etwas Sprudelndes zu trinken, bevor ich nach 15 Minuten wieder weiter kann.
Um 17:30 Uhr, nach einem zweistündigen Abstieg bin ich wieder am Parkplatz Königssee. Zwei Stunden schneller als veranschlagt und zum ersten Mal macht sich ein kleines Glücksgefühl breit, die Zeit bis 24:00 Uhr halten zu können. Aber das Gefühl währt nicht lange, wenn man sieht wie die ganzen Leute in ihre Autos einsteigen und nach Hause fahren. Ich hingegen habe noch 25 Kilometer vor mir und ich weiß aus der Nacht ganz genau, wie lange es ab welchem Punkt noch dauert.
Nichtsdestotrotz geht es weiter Richtung Heimat. Durch Schönau am Königssee nach Berchtesgaden. Am Bahnhof angekommen fährt gerade der Zug nach Bad Reichenhall ab. Hmmm, da jetzt mitfahren wäre schon was Schönes. Weiter geht es durch Berchtesgaden nach Bischofswiesen. Auf meinem Weg durch Bischofswiesen kommt mir aus einer Hofausfahrt ein Mann entgegen. Er hat mich auf dem Balkon stehend von weitem schon erkannt. Es ist einer der drei Männer von heute morgen, der jetzt natürlich wissen will ob es alles geklappt hat. Ich erkläre ihm kurz die einzelnen Stationen meiner Route bevor ich mich weiter auf den Heimweg mache. Er wünscht mir noch viel Spaß, Glück und Erfolg.
Es müssten jetzt noch ca. 10 Kilometer sein und zeitlich liege ich absolut im Soll. In Gedanken gehe ich alles noch mal durch und versuche grob zu berechnen wie lange es noch bis nach Hause dauert. Aus 10 Kilometern werden 5, danach 4…

Endlich, das Ortsschild von Bad Reichenhall. Jetzt dauert es nicht mehr lange.
Nach 21 Stunden und 35 Minuten komme ich schließlich wieder zu Hause an.
Hinter mir liegen 90 Kilometer. 90 Kilometer die ich so schnell nicht wiederholen muss. Natürlich hat es Spaß gemacht und es war eine absolut interessante Erfahrung, aber man ist doch auch irgendwie froh, wenn man wieder zu Hause ist, den Rucksack absetzt und sich gemütlich in die Badewanne legen kann.

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