Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich mir zum Ziel gesetzt, die Strecke von meiner Wohnung in Bad Reichenhall bis auf den Gipfel des Zwiesel in 1 Stunde und 30 Minuten zu laufen. Damals habe ich bis zur Zwieselalm 1 Stunde 19 gebraucht. Mit der Zeit wurde die Ausrüstung optimiert, der Fokus beim Sport etwas mehr aufs Laufen gelegt und die Zeiten wurden besser. Meine beste Zeit lag im letzten Jahr dann bei 1:44,11.
Nach langer Zeit ging es für mich heute mal wieder auf den Zwiesel. Mal schauen was die Kondition macht und wie ich in der Zeit liege.
Zwar war ich die letzten Wochen viel am Berg unterwegs gewesen, aber gerade in dieser Woche habe ich etwas mehr gefaulenzt und war nur einmal laufen. So waren die Beine beim Start heute Morgen noch etwas schlapp.
Zunähst geht es relativ langweilig auf Straßen und Bürgersteigen durch Bad Reichenhall, Richtung Fischzucht und dann hinauf zu den Bauernhöfen. Dieses erste Teilstück zieht sich immer wie Kaugummi, noch dazu macht man auf dieser ebenen Strecke keine Höhenmeter. Mit erreichen der Forststraße beginnt der eigentliche Anstieg zum Zwiesel. Ab jetzt nehme ich meine Trekkingstöcke zur Hilfe und gehe vom Laufen ins schnelle Gehen über. Die Müdigkeit aus den Beinen ist verflogen und langsam finde ich meinen Rhythmus. Immer wieder schaue ich auf meinen Uhr und beginne im Kopf zu rechnen. „1312 Höhenmeter sind es insgesamt. Wenn ich die momentane Geschwindigkeit beibehalte dann…“ So geht es die ganze Zeit. Mal geht die Rechnung auf und ich komme in einer super Zeit auf dem Gipfel an, mal wird es nichts mit den 1 1/2 Stunden. Auf 1000m wieder ein Blick auf die Uhr. 45 Minuten sind um, 530 Hm liegen hinter mir. Bei gleichem Tempo wird das nichts mit der Zeit, aber der lange flache Zustieg durch Bad Reichenhall liegt ja schon hinter mir…könnte es also doch etwas werden?
Ich nutze das kurze flache Stück vor dem Mulisteig um meine Energiereserven mit einem PowerGel wieder aufzufüllen. Jetzt beginnt das Teilstück, auf dem man die meiste Zeit gut machen kann und bei entsprechender Kondition einen guten Schnitt geht.
Und so ist es auch. Der Einstieg läuft sehr gut und schnell finde ich den Rhythmus, weg von dem „relativ“ flachen ersten Teilstück, hin zu dem steileren Stück zur Zwieselalm und weiter zum Gipfel. Kurz unterhalb der Zwieselalm überhole ich sehr schnell zwei Gruppen und kürze dazu etwas ab. Dieses kurze, schnelle Stück, scheint mich wohl so aus dem Konzept gebracht zu haben, dass ich danach einen ersten Tiefpunkt spüre. Die Beine werden schwer und ich werde deutlich langsamer. Das war’s dann wohl, kurz unterhalb der Zwieselalm kommen mal wieder Zweifel auf. An der Zwieselalm angekommen, ein kurzer Blick auf die Uhr: 1 Stunde und 6 Minuten; das sind 6 Minuten weniger als beim besten Lauf im letzten Jahr. Könnte es also doch noch…?
1 Stunde bis zum Zwieselgipfel steht auf dem Schild am Wegrand. In 32 Minuten habe ich es schon geschafft. Rein rechnerisch bleiben mir noch 24 Minuten.
Ich stelle meine Uhr um. Mich interessieren jetzt weder die momentane Höhe noch wie viel Höhenmeter ich in der Minute aufsteige. Ich will nur noch wissen wie viel Zeit mir noch bleibt.
Der Weg zum Gipfel hat teilweise Steinstufen, die einen aus dem Tritt bringen, oder dazu verleiten größere Schritte zu machen, die wiederum mehr Kraft kosten. Da heißt es konzentrieren und schauen wie man am besten nach oben kommt. Ich fühle mich noch ziemlich fit und denke nicht daran eine Pause einzulegen. Beim letzten Mal waren es drei kurze Pausen, wenn ich jetzt ohne Pause durchkomme, dann spare ich auch wieder Zeit.
Die ersten Latschen tauchen am Wegrand auf und ich weiß, dass ich nicht mehr weit vom Gipfel entfernt bin. Der iPod spielt „Hail and Kill“ von Manowar. Ich bejubele mich und töte die letzten Zweifel. Dann taucht zum ersten Mal der Gipfel des Gamsknogel auf. Daneben steht der Zwiesel, auch wenn ich ihn noch nicht sehe, steht er trotzdem da.
Der Weg zieht sich. So lang hatte ich ihn beim letzten Mal nicht in Erinnerung. Die Zeit läuft weiter gegen mich.
Auf dem iPod läuft wieder Manowar, diesmal mit „Return of the Warlord“. Als Kriegsherr würde ich mich nicht bezeichnen, aber ich bin auch zurück und während sie in dem Lied ihre stählernen Pferde reiten, tragen mich meine stählernen Beine weiter nach oben.
Dann taucht das Gipfelkreuz des Zwiesel auf. Ein Blick auf die Uhr…es wird knapp, ist aber machbar. Das Kreuz ist zum greifen nah, doch die Menschen unterhalb des Kreuzes sind noch so klein.
„Falling, I’m falling…“ dröhnt Offspring in meinen Ohren, aber ich falle nicht, ich bin auf dem letzten Anstieg zum Gipfel. Die Zeit wird knapp und deshalb mobilisiere ich noch mal alle Kräfte und sprinte die letzten Meter nach oben und schlage ans Gipfelkreuz.
Die Uhr stoppt bei 1 Stunde 29 Minuten und 50 Sekunden.
6 Gedanken zu “Trailrun auf den Zwiesel”
Ich muss zugeben mittlerweile nicht mehr auf die Zeiten zu achten. Das hat mir persönlich den Spass genommen, denn anfänglich war ich ebenfalls mit Stoppunhr unterwegs. Heute gehts mehr nach Gefühl. Mit dem iPod ist es ähnlich, ich genieße die Geräusche der Natur, man muss mal gezielt drauf achten. Es ist einiges zu hören. Hauptsächlich natürlich der eigene Atem. Allerdings kann ein guter Beat echt pushen!
Zeiten spielen für mich eigentlich nur eine Nebenrolle, außer auf dieser Strecke, wo ich mir im letzten Jahr mal die Zeit gesetzt hatte. Ansonsten notiere ich mir nur die Zeiten für Auf- und Abstieg, um so einen Anhaltspunkt für eventuelle Projekte und neue Touren zu haben.
Die Musik ist auch nicht immer dabei. Hängt immer stark von Tagesform und Laune ab.
Auf den Pürschling – meiner Hausstrecke – hatte ich auch immer gestoppt. Zum Schluss hat das dann keinen Spaß mehr gemacht weil ich nur noch auf die Uhr sah.
Wenn man die Strecke schon kennt und der Langweile entgegen wirken will ist ein Ipod auch gut geeignet.
Glückwunsch, du verrücktes Huhn. Stark geschrieben 🙂
Danke dir