Wo ist eure Leidenschaft fürs Laufen geblieben

Für wen läufst du?
Läufst du für dich, aus Leidenschaft, weil es dir Spaß macht?
Oder läufst du für die Anderen, für deine Arbeitskollegen, für deine Bekanntschaften in den sozialen Netzwerken?

Warum läufst du?
Weil es dir Spaß macht, den Kopf frei macht und man mehr essen kann?
Oder weil es Teil des Trainings ist um diesen einen prestigeträchtigen Lauf, der Lauf von dem alle reden, zu finishen?

Klar, wenn ein Blogger diese Frage stellt, dann könnte man sagen:
Was will der Typ überhaupt? Er ist doch der, der jeden Lauf und jeden Wettkampf mit uns teilt und sich ständig über Bilder und Videos mitteilt.

Das stimmt natürlich, aber es kommt auf die Art und Weise an und da habe ich das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren Einiges geändert hat und man durchaus gewisse Tendenzen erkennt.

Ich laufe aus Leidenschaft und aus meinem Tourentagebuch ist irgendwann, nach und nach, dieser „Trailrunning-Blog“ geworden. Ich teile meine Erlebnisse gerne mit anderen Menschen und freue mich über nette Kontakte, gemeinsame Treffen und wenn ich es schaffe, jemanden zu begeistern und dazu zu bewegen, die Laufschuhe zu schnüren und einfach mal an der Straße vorne links in den Wald abzubiegen.

Klar nehme ich auch an Events teil.
Als ich 2011 mit Trailrunning angefangen habe, da waren solche Events ein rotes Tuch für mich. Nie wollte ich mit einer Startnummer durch die Gegend laufen, aber schon nach knapp einem Jahr hatte ich Blut geleckt. Jetzt genieße ich es, bei den verschiedensten Events in die Community einzutauchen, neue Länder, Orte und Strecken kennenzulernen, einfach zu laufen, nur den Markierungen folgend, ohne sich groß Gedanken zu machen. Eine Platzierung im vorderen Drittel und/oder eine Verbesserung der Zeit aus den Vorjahren ist natürlich immer fein, aber klappt eben auch nicht jedes Mal.
Macht nix, denn eigentlich laufe ich ja nur, weil es Spaß macht und irgendwann nach jedem Event bin ich dann wieder auf den Hometrails vor der Haustür unterwegs und glaubt mir:
Es gibt nichts Besseres!
Backyard

Aber wie ist das bei euch?

Jetzt wisst ihr, wie es bei mir so ist. Und wie läuft es bei euch? Genauso?
Hmm…ich denke bei Vielen Einigen eher anders!
In den sozialen Netzwerken und auf Blogs beobachte ich immer wieder, dass einzelne Events in den totalen Fokus gerückt werden. Alles richtet sich auf dieses Event aus und gefühlt muss es der ganzen Welt mitgeteilt werden. Teilweise habe ich das Gefühl, dass die Leidenschaft für das Laufen gänzlich auf der Strecke geblieben ist, aber die Teilnahme an diesem einen Lauf stellt alles in den Schatten. Ich würde sogar behaupten, dass manch einer ohne die Teilnahme an den Events überhaupt keinen Grund mehr hätte zu laufen.

Provozierend ausgedrückt:

Wenn ich jemanden erzähle ich bin in zwei Tagen um den Mt Blanc gelaufen, dann wird das nicht wahrgenommen. Wenn ich aber erzähle ich habe den UTMB gefinished, dann macht das schon was her.

Versteht ihr? Die Profilierung mit der Teilnahme an Events hat in den letzten Jahren zugenommen.
Damit will ich nicht sagen, dass alle Events doof sind und jetzt keiner mehr darüber berichten soll.
Ich meine, die Leute berichten nicht mehr von ihrer Leidenschaft, erzählen nicht mehr von dem geilen Lauf nach der Arbeit oder dem harten Lauf am Wochenende. Vielmehr geht es nur noch um das Finish hier und das Finish dort und natürlich die Platzierung.
Sharing
Immer öfter hört man Vergleiche die versuchen, Parallelen zwischen Trailrunning und dem Triathlon zu ziehen. Jetzt kenne ich die Triathlon-Szene so gut wie garnicht, aber teilweise kann ich mir schon vorstellen, dass diese Kombination aus Schwimmen, Radfahren und Laufen vor vielen Jahren genauso suspekt war wie es heute dieses Laufen abseits der Straße ist.
Die Triathleten an sich sind schon ein komisches Volk. Verbissen, zielorientiert und oft etwas verspannt. Viele dieser Typinnen und Typen sind mir immer noch etwas suspekt…aber ich mag sie trotzdem! 😉
Bei Trailrunnern ist das anders. Hier ist man eher lockerer, sieht die Sache nicht ganz so verbissen und ist vielleicht auch nicht auf der ganzen Linie so zielorientiert und so wettkampforientiert.
So war es zumindest, denn nach und nach scheinen auch die Trailrunner immer mehr zu Triathleten zu werden.

Unwort „Trainingswettkampf“

In dieses Bild passt auch mein persönliches Unwort der Szene: „Trainingswettkampf“
Nehmt es mir nicht übel, aber entweder trainiere ich oder ich bestreite einen Wettkampf. Für Außenstehende ist es leicht zu erkennen, denn immer dann, wenn irgendwo einen Startnummer an mir klebt, dann ist es ein Wettkampf.
Ganz einfach!
Und bei so einem Wettkampf verfolgt man immer ein Ziel. Sei es „nur“ das Ankommen, eine bestimmte Zeit oder gar eine bestimmte Platzierung. Wenn es mal scheiße läuft, dann läuft es scheiße. Dann war es aber trotzdem ein Wettkampf, denn ich hatte ja eine Startnummer um. Vielleicht habe ich auf der Hälfte der Strecke Magenkrämpfe bekommen und musste den zweiten Teil größtenteils gehen, aber es bleibt ein Wettkampf, denn ich habe eine Startnummer um und so eine Startnummer kann motivieren und die letzten Reserven mobilisieren. Sie kann dafür sorgen, dass man Leistungen abruft, die man aus dem Training überhaupt nicht kennt…ein Wettkampf eben!
Wenn ich im Training laufe und ich bekomme Magenkrämpfe, dann gehe ich heim und kuriere mich aus. Wenn ich einen langen Lauf plane und früh morgens schüttet es aus Eimern, dann ändere ich eventuell meinen Planungen und laufe später los.
Beim Wettkampf geht das nicht. Da würde man wohl in den seltensten Fällen den Startbereich verlassen wenn es anfängt zu regnen und sich ins Hotel verziehen.
Seht ihr den Unterschied? Training – Wettkampf!
Seid bitte ehrlich zu euch selbst und wenn es mal scheiße läuft, dann läuft es scheiße. Dann war es kein Trainingswettkampf, sondern ein Wettkampf; von mir aus ein beschissener Wettkampf.
run heart

Und noch was!

Ein Rennen kann gut laufen oder es läuft schlecht. Wenn es schlecht läuft, dann ist man vielleicht gestürzt, ist krank an den Start gegangen, hat sich verlaufen oder was auch immer.
Wenn es gut läuft, dann ist man rundum mit Allem zufrieden. Dann hat eben Alles gepasst.
Wir halten also fest, es gibt nur diese zwei Stadien. Gut oder schlecht!
Bitte, bitte, bitte, nehmt euch das zu Herzen. Versucht nicht eure Leistungen schön zu reden. Entweder es war gut oder schlecht. Mir fallen immer wieder Beiträge auf, wo jemand mit seiner Zeit oder Platzierung nicht zufrieden war; aber das kann man natürlich nicht so stehen lassen. Nein! Mann muss die Leistung schön reden. Dann war auf einmal das Training zuvor nicht optimal, am Morgen grummelte der Bauch, die Verpflegung war kacke, der Trail war scheiße und überhaupt: Die Fliege die einem 10 Meter vor der Ziellinie ins Auge geflogen ist, die hat dann auch noch mal eine halbe Stunde gekostet.
Mit anderen Worten:
Also eigentlich hätte ich dieses Rennen ja gewonnen, aber irgendwie war alles doof!

Denkste! Es lief einfach schlecht und die Anderen waren besser. Du warst zu langsam…fertig aus!

Gesteht es euch ein, dass es auch mal Tage gibt an denen es nicht läuft. Ihr könnt nicht immer Höchstleistungen bringen, nicht mal Kilian Jornet schafft das.

Es ist doch sooooo einfach…wie beim Fußball: Am Ende gewinnt der, der die meisten Tore schießt. Das muss nicht die Mannschaft sein die vorher das Spiel dominiert hat. Das ist auch nicht unbedingt die Mannschaft mit den schönsten Trikots.

Wie findet man wieder zurück?

Verteufelt einfach alle Events und lauft nie mehr mit einer Startnummer!
Nein, das soll natürlich nicht das Ziel dieses Beitrages sein. Events sind cool, zeigen euch andere Reviere, ohne dass ihr euch viele Gedanken machen müsst und sie bringen euch mit anderen Leuten zusammen die im Prinzip genauso ticken wie ihr auch. Also verteufelt bitte nicht die Events, sondern geht einfach etwas anders an die Sache heran.

Verteufelt euch!

Seht es nicht so verbissen und macht euch klar, dass ihr nicht für euren Chef oder eure doofen Arbeitskollegen lauft und auch nicht für das heiße Mädchen oder den heißen Typen, die ihr nächste Woche in der Kneipe um die Ecke kennenlernt. In Wirklichkeit interessiert es diese Leute nämlich überhaupt nicht und sie halten euch sowieso für verrückt.
Lauft auch nicht um mit euren Ergebnissen beim nächsten Mal angeben zu können, denn egal wie gut ihr wart, irgendwer wird es schaffen eure Leistung klein zu reden und auf einmal wart ihr doch nicht mehr so gut, denn es gibt einen Lauf, der ist noch viel krasser als das was ihr bisher gelaufen seid und überhaupt, die Bedingungen und das Wetter waren viel zu perfekt, da kann’s ja jeder.

Lauft für euch!
Lauft gottverdammt nochmal nur für euch!
Lauft weil ihr Bock drauf habt und weil es Spaß macht!
Lauft weil es euch etwas gibt!
Lauft, lauft, lauft!
Und wenn es mal irgendwann keinen Spaß macht, dann lauft einfach nicht!

Und an alle die meinen, sie seien der Mittelpunkt des Universums:

Hey, das Universum ist unendlich. Dort gibt es keinen Mittelpunkt!

passion azevedo

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

78 Gedanken zu “Wo ist eure Leidenschaft fürs Laufen geblieben”