Die klassische Königssee-Umrundung ist eine Mehrtages-Hüttentour. Als Übernachtungsmöglichkeit greift man im Normalfall auf folgende Hütten zurück: Carl-von-Stahl-Haus oder Gotzenalm, Wasseralm und am dritten Tag das Kärlingerhaus. An den jeweiligen Hütten kann man noch Touren auf die umliegenden Berge unternehmen, sofern genug Zeit und ausreichend Kondition vorhanden sind.
Ich verzichte heute auf die zusätzliche Gipfeloption, denn ich will die Tour an einem Tag durchgehen, ohne Übernachtung. Insgesamt ca. 54 Kilometer, einmal rund um den Königssee. Von meiner Umrundung im letzten Jahr weiß ich, dass es zeitlich machbar sein sollte. Eine bestimmte Zeit habe ich mir nicht gesetzt; ich will lediglich vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück sein.
Um 3:15 Uhr starte ich meine Tour am Parkplatz Königssee. Das wird heute kein purer Trailrun, sondern eine Mischung aus Trailrun und Speedhike. Mit anderen Worten: Wann immer es Kondition und Untergrund (heute extrem nass und rutschig) zulassen, werde ich laufen, ansonsten schnell gehen. Das Laufen beschränkt sich dann größtenteils auf die Downhill-Passagen und kurze flache Stücke.
Vom Parkplatz am Königssee geht es zunächst durch das Dorf Königssee, Richtung Stufenweg. Dieser steile Weg führt vom Dorf, über den Kreßgraben bis kurz unterhalb des Parkplatzes Hinterbrand. Von hier geht es zunächst Richtung Jennerbahn-Mittelstation und kurz davor, die gewohnte Route über die Skipiste, Richtung Mitterkaser-Alm. Die Strecke ist mir von meinem Jenner-Dowhill noch bestens bekannt, nur dass es ab der Mitterkaser-Alm die linke Wegvariante nach oben geht und anschließend links ab, Richtung Carl-von-Stahl-Haus. Hier beginnt dann der Aufstieg zum Schneibstein. Es wird etwas steiniger und die langsam einsetzende Dämmerung lässt allmählich den Gipfel erkennen.
Entlang der lang gezogenen Kante unterhalb des Gipfels sehe ich dann die ersten Gämsen. Normalerweise sind Gämsen sehr scheu und sobald sie etwas sehen was ihnen nicht geheuer vorkommt, beobachten sie es und wenn es sich nähert ergreifen sie die Flucht. Heute sind sie wohl noch etwas müde oder erkennen mich nicht richtig.
Ich mache einen etwas größeren Bogen um sie nicht zu verscheuchen und versuche trotz der schlechten Lichtverhältnisse, die meine kleine Kamera an ihre Grenzen bringen, ein paar Fotos zu machen.
Auf dem Gipfel angekommen passiert das, was ich mir erhofft hatte. Fünf Steinböcke genießen die Ruhe und ihr Frühstück. Im Gegensatz zu Gämsen sind Steinböcke nicht so scheu. Wenn sie etwas bemerken sehen sie kurz auf und wenn es nicht gefährlich ist oder sich bedrohlich nähert ist es ihnen wurscht und sie fressen weiter.
So ist es auch heute. Sie schauen kurz auf und fressen dann gemütlich weiter. Ich entscheide mich auch eine kurze Pause einzulegen und gönne mir ein kleines Frühstück. Wenn man schon solch eine Gesellschaft am Frühstückstisch hat, dann sollte man das auch ausnutzen.
Nach einigen Fotos, die aufgrund des stark bewölkten Himmels und der Lichtverhältnisse nicht zu 100% optimal werden, geht es weiter. Ich verabschiede mich von meinen Frühstücks-Gefährten und steige ab Richtung Seeleinsee.
Auf dem Weg zum See komme ich an unzähligen Gämsen vorbei, da aber größtenteils alle die Flucht ergreifen sobald sie mich sehen. Das ist der Vorteil wenn man früh morgens der Erste ist; man sieht eine Vielzahl an Tieren, die im Laufe des Tages mit zunehmenden Wandererströmen immer weiter in den unzugänglichen Hängen verschwinden.
Nach dem Seeleinsee geht es weiter, Richtung Hochgschirr am Kahlersberg. Den Kahlersberg wollte ich eigentlich heute auch noch mal besteigen, nachdem beim letzten Mal das Wetter sehr bescheiden war, aber heute ist es nicht besser. Zwar kam in der Zwischenzeit sogar kurz die Sonne zum Vorschein, aber mittlerweile zieht wieder Nebel auf und die ersten Regentropfen bahnen sich ihren Weg nach unten.
Also geht es weiter durch das Landtal. Aufgrund des zunehmenden Regens lege ich einen Zahn zu und nutze den Downhill etwas aus. Vom Landtal geht es direkt weiter Richtung Wasseralm in der Röth.
Vom Landtal führt ein Weg direkt Richtung Wasseralm, ohne dass man vorher nach unten steigt und über den Röthsteig wieder hinauf muss.
An der Wasseralm angekommen gibt es erst mal ein bisschen Action. Der Rettungshubschrauber Christoph 14 ist im Anflug um einen 12-jährigen Jungen abzuholen. Er hat sich am Fuß verletzt und kann nicht mehr weiter gehen. Während er nach Traunstein ins Klinikum geflogen wird, darf sein Onkel sich Gedanken machen, wie er das dem Vater des Jungen beibringt.
Nachdem die restlichen Wanderer, die sich langsam auf den Weg zum Kärlingerhaus machen, rausbekommen haben was ich für eine Tour gehe sind sie schon etwas erstaunt. Sie machen die gleiche Tour, nur sind sie 4 Tage unterwegs. Ich erfahre, dass „fünf von meiner Sorte“ heute morgen um 8:00 Uhr Richtung Matrashaus aufgebrochen sind (das weiß ich natürlich). Leider habe ich die Gruppe um Fritz, Markus, Gine, Rupert und Hans um eine knappe Stunde verpasst. Sie sind heute den zweiten Tag unterwegs und haben noch zwei weitere Tage im Steinernen Meer vor sich. Die fünf haben bei den Hüttenbesuchern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Trailrunner treten eher selten im Rudel auf und wenn, dann sorgt es meistens für Staunen und Verwunderung.
Nach einer Tasse Kaffee geht es direkt weiter zum Kärlingerhaus. Auf dem Weg dorthin bietet sich ein kurzer Abstecher zum Halsköpfl an. Ein toller Aussichtspunkt mit herrlichem Blick auf den Königssee und St. Bartholomä.
Die Wolken trüben das Bild ein bisschen, aber zumindest hat es aufgehört zu regnen.
Über den Schwarzensee und den Grünsee geht es weiter zum Kärlingerhaus.
Nach einem Stück Kuchen und etwas zu trinken geht es, zum dritten Mal in diesem Jahr, durch die Saugasse nach St. Bartholomä. Der Downhill lässt sich noch relativ locker laufen und so genehmige ich mir erst einmal eine kurze Abkühlung im Königssee. Zudem wird es Zeit die Klamotten zu wechseln. Die Sonne ist da und ich tausche lange Hose und langes Shirt, gegen kurze Hose und kurzes Shirt.
Nach einer kurzen Pause beim Fischer vom Königssee geht es nun an den letzten Anstieg der Tour.
743 Höhenmeter durch den Rinnkendlsteig. Die haben es noch mal in sich und gerade am Ende macht sich jeder Höhenmeter bemerkbar. Aber, auch das ist irgendwann geschafft und nach dem obligatorischen Foto an der Archenkanzel geht es rüber zur Kühroint-Alm.
Es ist 14:20 Uhr als ich mich an den finalen Abstieg zur Bob- und Rodelbahn mache.
Ich hatte während der Tour schon mal die 12 Stunden-Marke vor Augen, aber im Laufe der Zeit dann wieder verworfen. Jetzt könnte es doch noch machbar sein.
Der Weg hinunter ist relativ neu angelegt, gut geschottert und teilweise sehr steil.
Irgendwann komme ich am Einstieg für den Isidor-Klettersteig vorbei und habe noch über 20 Minuten Zeit um unter 12 Stunden zu bleiben. Ist doch machbar, die wenigen Meter bis nach unten.
Um 15:08 Uhr, 11 Stunden und 53 Minuten nach meinem Start am Morgen, komme ich wieder am Königssee an.
Es ist geschafft: Klassische Königssee-Umrundung in unter 12 Stunden. Mit 13-15 Stunden hatte ich anfangs gerechnet…passt.
Eine tolle, aber auch sehr anstrengende Tour geht zu Ende.
Sicherlich fragt sich der ein oder andere, ob es Sinn macht, so eine tolle Tour, so schnell zu gehen. Was ist mit dem Genuss und dem Erlebnis?
Ja, es macht Sinn, zumindest für mich. Wenn man die Berge vor der Haustür hat und viele Teile der Strecke schon kennt, dann definiert man Genuss und Erlebnis etwas anders, als der Wanderer, der einmal im Jahr zum Urlaub hier her kommt und dann diese Tour geht.
Ich habe die Tour genossen und für mich war es ein geniales Erlebnis. Ich habe währenddessen keine Scheuklappen auf und auch keinen Tunnelblick. Ich sehe und erlebe sehr viel, aber eben auf eine andere Art und Weise.
7 Gedanken zu “Königssee-Umrundung”
neulich konnte ich feststellen das man in speedhike-manier nicht viel langsamer unterwegs ist als berglaufend. es gibt situation das ist schnelles gehen effektiver als laufen.
grüße
daniel
Wir haben dafür 5 Tage gebraucht, kannten aber auch deine Abkürzung übers Landtal nicht 😉 Würde man dich erkennen, wenn du an einem vorbeizischt, oder spürt man nur einen Luftzug und glaubt, man habe gerade die Vision eines Schnellläufers durch die Berge gehabt?
Keine Angst, man erkennt mich schon. Ein kurzer Smalltalk ist auch immer möglich. Ich laufe nicht für die Zeit, sondern für das Erlebnis.