Squamish 50/50 2017

Jetzt ist es also soweit. Nach einem krampfgeplagten Squamish 50 2013 (50 Meilen), einer deutlich besseren Performance beim Squamish 50 2014 (50 Meilen) und einem perfekten Tag beim Squamish 50 2016 (50 Kilometer) steht nun mit dem Squamish 50/50 die Königsdisziplin auf dem Programm. Das bedeutet 50 Meilen (inkl. 3350 Höhenmeter) am Samstag, gefolgt von 50 Kilometern (inkl. 2500 Höhenmeter) am Sonntag.
Die Strecke habe ich drauf und auch die Gesamtdistanz mit den Gesamthöhenmetern sollten mir unter normalen Umständen nichts ausmachen. Die essentielle Frage ist, wie schafft man es nach 80 Kilometern am Samstag, knapp 12 Stunden später, wieder 50 Kilometer zu laufen?
Regeneration ist hier eindeutig der Schlüssel zum Erfolg.

Jetzt, knapp 12 Stunden vor dem Start der 50 Meilen, denke ich, dass sich das schon irgendwie machen lässt und dass, einmal am Sonntag auf der Strecke, es schon irgendwie dahinrollen wird…aber die Frage ist: Wie komme ich morgen im Ziel an und wie am Sonntag aus dem Bett.

Wenn es gut läuft, dann male ich mir sogar einen Platz in den Top 10 aus, was eine Zeit so um die 18 oder 19 Stunden bedeuten würde.
Ich plane einfach mal mit einer sub 11 auf die 50 Meilen. Das ist drin, aber keine Ahnung, ob ich mich dabei so verausgabe das am nächsten Tag nichts mehr geht.
Für die 50 Kilometer gehe ich mal mit einer sub 7 ins Rennen. Das bedeutet, ich wäre nur 20 Minuten langsamer als letztes Jahr, allerdings mit 50 Meilen mehr in den Beinen. Klingt unrealistisch, aber hey:

Let’s give it a try!

Nach dem Squamish 50/50 steht eh nichts mehr auf dem Programm. Wenn ich es also morgen gut ins Ziel schaffe, dann gebe ich am Sonntag nochmal Vollgas.

So der Plan, heute, Freitag, 17:59 Uhr. Noch 11 Stunden und 31 Minuten bis zum Start!

Squamish 50-50 Teil 1 – 50 Meilen

Um 4:00 Uhr, nach halbwegs erholsamen sechs Stunden Schlaf, klingelt der Wecker und das übliche pre-Race-Prozedere beginnt. Müsli, Kaffee, Toilette, Sachen zusammensuchen, checken ob man wirklich nichts vergessen hat und dann geht es ab zum Start. Langsam macht sich dann auch ein bisschen Nervosität breit.
Am Start, die übliche Squamish-Atmosphäre mit hunderten relaxten Läuferinnen und Läufern.

Der Start wird kurzfristig um 15 Minuten nach hinten verschoben, da immer noch Autos auf den Parkplatz rollen und bevor hier noch die große Hektik ausbricht, fangen wir einfach ein bisschen später an; so ist das eben hier in Nordamerika.
Um 5:30 Uhr hält Gary dann sein fast schon traditionelles Race-Briefing: Kurz, schmerzlos und auf den Punkt gebracht!


Und dann ist es soweit und die Masse aus 50-Meilen-Läufern und 50-50-Teilnehmern macht sich auf die Reise.

Die ersten 10 Kilometer geht es flach dahin. Um mein ambitioniertes Ziel die sub11 zu erreichen, will ich es hier in 55 Minuten locker einrollen lassen, was mir auch ziemlich punktgenau gelingt. Allerdings merke ich, dass die Beine nicht so leicht sind, wie sie es sein könnten. Liegt mir der Großglockner Ultra-Trail noch in den Beinen?
An den Touren hier in Squamish kann es eigentlich nicht liegen, denn da haben wir uns dieses Jahr wirklich sehr zurückgehalten. Naja, schauen wir mal wie es weitergeht.
Die nächsten 10 Kilometer haben mit dem Debeck’s Hill den wohl steilsten Abschnitt des Rennens im Programm. Hier läuft es erstaunlich gut und an der zweiten Verpflegungsstation am Alice Lake habe ich schon 10 Minuten auf meine Zeit aus 2014 gutgemacht. Allerdings schwitze ich auch wie ein Sch*** und habe bisher nur knapp 500ml Wasser getrunken: Ob das nicht ein Fehler war?

Der kommende Abschnitt ist mir von unserem Trailcheck noch bestens bekannt und verläuft bis Kilometer 30 eigentlich nach Plan. Ziemlich genau bei Kilometer 30 fährt mir ein Krampf in den rechten hinteren Oberschenkel. Unverhofft und sehr ekelhaft! Irgendwie schaffe ich es ihn rauszulaufen und genauso schnell wie er da war, war er auch wieder weg.
Weiter geht es auf dem Loop, zurück zur Verpflegungsstation Corners. Zeitlich sind es mittlerweile 20 Minuten unter der Zeit von 2014. Wenn das so weiter geht, dann gehen sich die sub11 aus.
Die Dirtroad zur Galactic Scheisse, dem längten Anstieg des Rennens, macht mir aber schnell klar, dass der Krampf bei Kilometer 30 nicht der letzte war, denn von nun an machen sich immer wieder Anzeichen bemerkbar.
An fehlendem Salz und Magnesium kann es nicht liegen, da habe ich genug genommen und dabei. Es kann nur das zu wenige Wasser auf den ersten 20 Kilometern sein, was sich jetzt rächt.
Der lange Uphill macht mir heute deutlich mehr zu schaffen als sonst immer. Normalerweise mag ich dieses Stück und bin auch relativ flott unterwegs, aber heute fehlt mir irgendwie die Power und so wird es gefühlt eine ziemlich langsame Angelegenheit bis zum höchsten Punkt des Squamish 50.

Der folgende lange Downhill zur Quest University läuft dann wieder relativ gut und mein Puffer von 20 Minuten steht noch. Er ist leider nicht größer geworden, aber auch nicht geschrumpft, wobei ich mich innerlich schon davon verabschiedet habe, dass ich irgendwo/irgendwann heute nochmal weitere 20 Minuten rauslaufe. Es wird eher die größere Challenge werden diesen Vorsprung ansatzweise mit ins Ziel zu nehmen.

An der Quest University werden erst mal die Smoothies aus dem Dropbag wieder aufgefüllt und sensible Hautstellen mit Body Glide bearbeitet. Das habe ich heute morgen nämlich vergessen und somit haben sich nach den ersten 20 Kilometern schon die ersten Wölfe bemerkbar gemacht. Vorwiegend unter den Achseln, aber auch schon an den Innenseiten der Oberschenkel. Zum Glück habe ich mir einen Stick in das Dropbag gepackt. Auch wenn die Wölfe jetzt schon da sind und es eigentlich zu spät ist; vielleicht kann ich sie zumindest ein bisschen an der Ausbreitung hindern.

Noch ein kurzes Foto mit Lauflegende Ellie Greenwood, die hier an der Quest volunteered bevor sie morgen über die 23k an den Start geht, und dann geht es auch schon wieder weiter.

Die Straße runter kann ich noch laufen, aber am ersten Anstieg wars das dann. Ab jetzt wird gewandert, denn im Moment sorgt das Laufen nur für Krämpfe. Wandern geht krampflos.
Der lange Anstieg hoch nach Angry Midget zieht sich mal wieder wie Kaugummi. Das ist der Abschnitt des Rennen auf den ich mich eigentlich nie freue, umso schlimmer das ich nicht mal die flachen Passagen laufend schnell hinter mich bringen kann, sondern mir diesen ganzen Anstieg erwandern darf.
Oben angekommen sehe ich dann endlich die Lady von Angry Midget. Die etwas ältere Dame sitzt jedes Jahr hier oben und notiert die Startnummern der Läufer die hier vorbei kommen, bevor sie sie in den Downhill zur nächsten Verpflegungsstation schickt. Ich bin heilfroh sie zu sehen, denn ab jetzt geht es erst mal wieder bergab.
Leider will sie kein Selfie mit mir machen, also schnappe ich mir einfach den Läufer, den ich schon die ganze Zeit immer auf der Strecke treffe. Mal überholt er mich, dann überhole ich ihn wieder.
Er läuft auch den 50-50 und hat genauso wie ich, keinen Plan wie wir das morgen auch nur ansatzweise aus dem Bett schaffen sollen.

Kurz nach mir erreicht auch Rupi Angry Midget und zusammen machen wir uns auf in den Downhill der, sehr zu meinem Erstaunen, sehr gut läuft.

An der vorletzten Verpflegung werden die Vorräte wieder aufgefüllt.
Jetzt sind es nicht mal mehr 20 Kilometer bis ins Ziel. Den folgenden Downhill laufe ich noch und dann beginnt für mich wieder der Wandertag, da bergauf sowas von die Luft raus ist. Leider wird es auf den flachen Passagen auch nichts mit laufen und somit bleiben nur die Abschnitte mit einem Gefälle, die ich halbwegs laufend hinter mich bringe.

Letzte Verpflegungsstelle, noch 11 Kilometer bis in Ziel. Auf den Captain Morgan mit Cola verzichte ich und konzentriere mich lieder auf Cola pur und viel Eiswasser um den Körper ein bisschen zu kühlen.
Dann geht es auf die letzten Kilometer Richtung Ziel. Noch einmal wellig durch den Wald, der letzte Anstieg zum Mount Phlegm und dann zwei Kilometer runter, gefolgt von zwei Kilometern flach, ins Ziel.
Den ekelhaftesten Krampf bekomme ich knapp zwei Kilometer nach der Verpflegung. Irgendwie schafft es mein rechtes Fußgelenk zu krampfen. Der Krampf löst sich nur, wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle, was aber zur Folge hat, dass dann die Wade krampft. Teufelskreis!
Es dauert gut zwei/drei Minuten bis ich diese etwas knifflige Situation unter Kontrolle habe, aber Hauptsache der Spaß bleibt.

Nach gefühlt einer Ewigkeit taucht dann endlich die letzte Rampe auf und ich habe den Mount Phlegm erreicht. Geschafft!
Der Downhill läuft verdammt unrund, aber er läuft; zumindest stellenweise. Unten angekommen nehme ich mir vor, die letzten zwei Kilometer durchzulaufen, denn wenn es schon nichts mir der sub11 wird, dann will ich wenigsten schneller als 2014 sein.

Und es reicht! Am Ende sind es knapp fünf Minuten. Es wäre heute garantiert mehr drin gewesen heute, aber wenn man nicht trinkt…selbst schuld!

Tobi und Rupi sind beide knapp unter 11 Stunden geblieben.
Ronny musste mit Magenproblemen bei der Quest leider aussteigen.
Gabriel finished nach 13:29 Stunden seine bisher längste Ultradistanz.

Hier geht es zum Squamish-50-50-cramping-day-1-move!

Regeneration

Das Regenerationsprogramm ist natürlich essentiell, wenn man in nur 12 Stunden den nächsten Ultra laufen möchte. Nach einem leckeren Burger im Ziel, gefolgt von einem großen Menü einer Fastfood-Kette, gibt es zu Hause noch die Eiswanne.

Das bringt bestimmt was und wenn nicht, schlimmer kann es ohnehin schon nicht mehr werden. Auch wenn der Gang noch relativ rund erscheint, kann ich mir nicht vorstellen, wie ich morgen auch nur ansatzweise aus dem Bett kommen soll.
Die Nacht verläuft, eingepackt in Kompressionssocken und Kompressionsstulpen so lala.
Der Wolf an den Oberschenkel ist ziemlich ekelhaft, denn immer wenn sich diese berühren, brennt es wie die Hölle. Noch dazu schlafe ich nach solch einem Event eh meistens eher schlecht und Tobi der neben mir im Bett liegt, geht es da glaube ich nicht anders.
Da sich mein linkes Knie bemerkbar macht, ich sowieso noch etwas zu trinken brauche, wechsle ich um Mitternacht das Schlafquartier und ziehe auf die Couch ins Wohnzimmer um. Gefühlt klappt das hier mit dem Schlafen besser, auch wenn die Couch etwas zu kurz ist, der Kühlschrank brummt und das Knie trotz Salbe, immer mal wieder schmerzt.

Squamish 50-50 Teil 2 – 50 Kilometer

Der Wecker klingelt um 4:15 Uhr und das Aufstehen funktioniert sogar irgendwie. Die Beine fühlen sich besser an als erwartet, aber der Wolf stört. Ich werde bestimmt keine 50 Kilometer durch Kanada laufen und dabei aussehen, als hätte ich mich eingeschissen…eine Lösung muss her.
Zuerst einmal mit Wundsalbe eincremen und dann eine enge Laufhose unter die normale Laufhose anziehen. Somit reibt nicht Wolf auf Wolf und es sollte erträglicher werden. Über die Wundsalbe noch Body Glide drüber und die dreifache Schutzschicht ist komplett. Die restlichen lädierten Stellen werden auch noch mit Salbe und Body Glide behandelt und dann kann es auch schon losgehen.

Zugegeben, volle Motivation sieht anders aus, aber jetzt fahren wir erst mal an den Start und dann sehen wir weiter. Das ist ja das Gute, wenn man solch eine kranke Sache zu Dritt macht: Die Anwesenheit der Anderen reicht aus um sich zu motivieren. Alleine, wäre ich heute garantiert nicht an den Start gegangen.

Am Alice Lake das gleiche Prozedere wie schon bei den 50 Meilen am Vortag.

Lockere Atmosphäre, Racebriefing und los geht’s.
Sofort merke ich, dass ich mit meinem linken Knie heute keinen Spaß haben werde. Beim GGUT war es rechts, jetzt stellen sich links leichte ITBS-Anzeichen ein. Da ist mir die Sehne wohl etwas beleidigt und die strapazierte Oberschenkelmuskulatur tut ihr Übriges. Wäre das ein lockerer Lauf zu Hause, dann würde ich jetzt aufhören, aber hier und jetzt? Nein! Das wird schon irgendwie und mit Dehnen und Strecken kriege ich das vielleicht sogar in den Griff.
Es klappt auch in der Tat ganz gut und ich kann zumindest ansatzweise laufen. Auch wenn es garantiert sch*** aussieht, denn um das Knie möglichst nicht groß anzuwinkeln, drücke ich mich mit rechts immer etwas mehr ab, so dass ich höher komme und das linke Bein quasi nur vorziehen muss. Anstatt den Fuß über ein Hindernis zu haben, lasse ich ihn drumherum kreisen…wird schon!
Der Anstieg zur Galactic Scheisse klappt heute wesentlich besser und ich mache viele Plätze gut, wovon ich einige aber im Downhill wieder abgeben muss. Dennoch läuft es im Downhill gefühlt am „schmerzfreisten“.
An der Quest angekommen, herrscht auch schon wie am ersten Tag, eine super Stimmung:

Auch wenn bei Weitem nicht ganz so viel los ist wie gestern ist es dennoch eine super Atmosphäre hier oben.

Nach einer kurzen Pause geht es weiter Richtung Angry Midget. Mal schauen wie das heute wird.
In der Tat läuft es wesentlich besser als gestern und ich kann viele Abschnitte laufen. Aber irgendwie zieht sich das Ding heute wie Kaugummi. Viel schlimmer als gestern.
Endlich oben angekommen, wieder ein kurzer Plausch mit der Lady, bevor der Downhill startet. Es läuft immer noch vergleichsweise gut, besser als erwartet, und wenn es so weiter geht, dann geht sich eine Gesamt sub20 noch aus. Das ist von nun an das Ziel, das es zu erreichen gilt.
Bergab und flach wird gelaufen, bergauf gepowerhiked. Das Knie spielt mit. Es spielt zwar nicht nach meinen Regeln, aber es spielt mit. Es läuft gut und die sub20 sind greifbar.
Der letzte Anstieg zum Mount Phlegm hat es nochmal in sich und kurz will sich ein Krampf bemerkbar machen, den ich aber schnell abschmettere.
Oben ankommen halten Gabriel und Ronny die Stellung, Sie volunteeren heute und dürfen die Leute auf die letzten vier Kilometer schicken, die auch ich jetzt unter die Sohlen nehme.
Dann geht’s nach unten und endlich sehe ich den Parkplatz. Die letzten zwei flachen Kilometer werden nochmal richtig hart, aber dann ist das Ziel endlich da…endlich!

8:07 Stunden für die 50k, macht eine Gesamtzeit von 19:45,58 für den Squamish 50-50.
Leider keine Top 10, aber dennoch glücklich und zufrieden!

Squamish 50-50 was für eine menschenverachtende Sch***! Ich bin am Ende! Platt! Fix und fertig! Sowas mache ich nicht mehr. Lieber die Distanz an einem Stück, als so eine Double-Ultra-Challenge.

Tobi ist schon im Ziel und begrüßt mich mit Ines, die auf den 23k auch eine super Zeit gelaufen ist.
Rupi kommt wenig später ins Ziel und sichert sich somit auch den begehrten Squamish-50-50-Trucker-Hat.

Hier geht es zum Squamish-50-50-I-need-a-new-body-Move!

After Race

Der Zieleinlauf funktionierte noch, aber nachdem der Körper einmal zur Ruhe gekommen ist, geht nicht mehr viel.
Normalerweise laufe ich nicht in Kompressionssocken, aber dieses Mal dachte ich mir, schaden kann es nicht. Ausziehen konnte ich sie nicht mehr, ich musste sie aufschneiden.
Meine Oberschenkel sind Matsch und dank des etwas unrunden Laufstils ist jetzt auch das rechte Knie beleidigt.
Ein gelaufener Wolf tut an Stellen, an denen normalerweise keine Sonne scheint doppelt weh.
Socken kann ich noch keine Anziehen, da sonst alles Krampft.
Hosen kann ich nur anziehen, wenn ich sie auf den Boden lege um mit den Beinen einzuschlüpfen.
Mein Bein kann ich eigentlich nur mit Unterstützung der Arme gescheit ins Bett, aus dem Auto oder sonst wohin heben.
Ich liege jetzt seit zwei Stunden auf der Couch und habe mich seitdem nicht mehr bewegt. Jetzt gibt es Kaffee und danach muss ich aufs Klo…ich habe Angst!

Kurzum: Ich bin geschreddert…aber so richtig!

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